Archiv Volksentscheid

Sechs Argumente für den gemeinsamen Ethikunterricht in Berlin

 

 

 

Kurzfassung

1.    Angesichts der kulturellen Vielfalt in Berlin sollen alle Schüler im Ethikunterricht Dialogfähigkeit entwickeln, Gemeinsamkeit erfahren sowie gegenseitige Toleranz und Respekt einüben!

2.    Gemeinsamer Ethikunterricht fördert eine ethische Grundbildung und die Wertorientierung an Grundgesetz und Menschenrechten

3.    Religionskundliche Allgemeinbildung fördert gegenseitiges Verstehen von Kulturen

4.    Religiös-weltanschauliche Neutralität im Ethikunterricht fördert Respekt vor fremden Auffassungen

5.    Gemeinsamer Ethikunterricht fördert die Freiheit individueller Orientierung

6.    Religions- und Weltanschauungsunterricht soll in Berlin weiterhin frei wählbar bleiben

 

1.    Angesichts der kulturellen Vielfalt in Berlin sollen alle Schüler im Ethikunterricht Dialogfähigkeit entwickeln, Gemeinsamkeit erfahren sowie gegenseitige Toleranz und Respekt einüben!

 

An den Schulen Berlins lernen Schülerinnen und Schüler aus vielen Nationen und Kulturen und mit unterschied-lichen Glaubensvorstellungen und Weltanschauungen. So haben in Berlin derzeit schon 42,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen von 6-15 Jahren einen Migrationshintergrund. Angesichts dieser Vielfalt ist es eine wichtige Aufgabe der Schule, gegenseitiges Verständnis, Toleranz und Respekt zu fördern. Das gelingt besonders gut, wenn die Schülerinnen und Schüler über grundlegende Fragen der Ethik, ihrer Herkunftskulturen und ihrer Lebensgestaltung miteinander ins Gespräch kommen und so gegenseitiges Verständnis entwickeln können.

 

2.    Gemeinsamer Ethikunterricht fördert eine ethische Grundbildung und die Wertorientierung an Grundgesetz und Menschenrechten

 

Bei den vielfältigen Wertvorstellungen in unserer Gesellschaft, die unterschiedliche kulturelle, religiöse und weltanschauliche Wurzeln haben, ist es wichtig, dass sich alle Schülerinnen und Schüler in einem gemeinsamen Ethikunterricht mit den für unsere Gesellschaft zentralen Grundwerten wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität, Toleranz und Verantwortung beschäftigen und sich dabei an Grundgesetz und Menschenrechten orientieren. Das beugt fundamentalistischen Tendenzen bei Jugendlichen vor, fördert gewaltfreie Bearbeitung von Problemen und Konflikten und unterstützt den Wertekonsens in unserer Gesellschaft.

 

3.    Religionskundliche Allgemeinbildung fördert gegenseitiges Verstehen von Kulturen

 

Viele Werke der Literatur, bildenden Kunst und Musik in der Kultur Europas lassen sich ohne Kenntnisse über Mythen der Antike und Geschichten der jüdischen und christlichen Bibel nicht verstehen. Religionen sind wie Kunst, Wissenschaft, Recht, Philosophie und Ethik wesentliche Teile des kulturellen Gedächtnisses einer jeden Kultur, so auch der Kultur Europas und anderer Kulturen der Welt. Deshalb gehören Grundkenntnisse zu Religionen und Weltanschauungen zur Allgemeinbildung eines jeden Weltbürgers und Bürgers in Berlin.

Schülerinnen und Schüler brauchen diese Kenntnisse, wie sie das Schulgesetz für den Ethikunterricht vorsieht. Und dies  unabhängig  da von, ob sie darüber hinaus einen christlichen (evangelischen, katholischen, orthodoxen), islamischen (sunnitischen, schiitischen, alevitischen),  jüdischen oder buddhistischen Religions-unterricht bzw. das weltanschauliche Fach Humanistische Lebenskunde besuchen.

 

4.    Religiös-weltanschauliche Neutralität im Ethikunterricht fördert Respekt vor fremden Auffassungen

 

Im Unterschied zum Bekenntnisunterricht der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wird Ethik religiös und weltanschaulich neutral unterrichtet, d.h. in ihm wird keine Religion oder Weltanschauung vertreten oder bevorzugt.

Die religiös-weltanschauliche Neutralität gilt für alle Unterrichtsfächer in Berlin, gewinnt aber im Fach Ethik eine besondere Bedeutung. Die Erfahrungen der Heranwachsenden mit einer Lehrkraft, die den Ethikunterricht religiös-weltanschaulich neutral gestaltet, und der Dialog in der Klasse helfen ihnen, Respekt vor Mitschülern

mit anderen Weltdeutungen, Sinngebungen und Lebensauffassungen zu entwickeln.

 

5.    Gemeinsamer Ethikunterricht fördert die Freiheit individueller Orientierung

 

Durch eine gemeinsame ethische Bildung und einen im Unterricht praktizierten Dialog wird bei den Schülerinnen und Schüler verschiedener kultureller, weltanschaulicher oder religiöser Herkunft die Freiheit gefördert, sich selbstbestimmt im Leben zu orientieren und sich für eine bestimmte Religion, Konfession oder Weltanschauung oder auch keine zu entscheiden. Eine Parallele gibt es im Bereich der politischen Bildung. Diese zielt auf die Förderung allgemeiner demokratischer Reflexions- und Handlungskompetenz, jedoch nicht auf die Bindung an bestimmte Parteien.

 

6.    Religions- und Weltanschauungsunterricht soll in Berlin weiterhin frei wählbar bleiben

 

Die Berliner Schule bietet wie bisher über den gemeinsamen Ethikunterricht der Klassen 7-10 hinaus die seit 1948 bewährte Möglichkeit, von der 1. Klasse an freiwillige Unterrichtsangebote von Religions- und Weltan-schauungsgemeinschaften zu wählen. Derzeit gibt es in Berlin evangelischen, katholischen, orthodoxen, sunnitischen, schiitischen, alevitischen, jüdischen und buddhistischen Religionsunterricht und das Fach Humanistische Lebenskunde. In den Grundschulen nehmen ca. 75 Prozent aller Schülerinnen und Schüler an einem dieser Unterrichtsangebote in den Schulen teil, wobei das Land Berlin 90 Prozent der Personalkosten trägt und insgesamt jährlich 50 Millionen Euro für den Religions- und Weltanschauungsunterricht aufwendet.

 

 

Das Berliner Modell eines allgemeinbildenden Ethikunterrichts  u n d  darüber hinaus frei wählbarer Angebote von Religions- bzw. Weltanschauungsunterricht entspricht der Vielfalt und den Erfordernissen des friedlichen Zusammenlebens in unserer multikulturellen Metropole sowie den Bildungsbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen.