Situation Ethik

Der gemeinsame Ethikunterricht aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts

 

Förderung von Dialogkultur statt von

"Parallelgesellschaften"

 

Einige Eltern, Schülerinnen und Schüler, die den gemeinsamen Ethikunterricht ablehnen, hatten 2006 dagegen vor Gerichten bis hin zum Bundesverfassungsgericht geklagt.

Sie wollten eine Abmeldemöglichkeit erreichen, wie sie bei normalen staatlichen Fächern völlig unüblich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat eine solche Abmeldemöglichkeit           verneint und in seiner Entscheidung vom 15.3.2007 die integrative Bedeutung des Ethik-unterrichts u.a. wie folgt hervorgehoben:

 

"Die Offenheit für eine Vielfalt von Meinungen und Auffassungen ist konstitutive Voraus-setzung einer öffentlichen Schule in einem freiheitlich-demokratisch ausgestalteten Gemeinwesen. Sucht der Landesgesetzgeber im Wege der praktischen Konkordanz einen schonenden Ausgleich zwischen den Rechten der Schüler und Eltern aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 GG sowie dem Erziehungsauftrag des Staates aus Art. 7 Abs. 1 GG […], so darf er dabei auch der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten "Parallelgesellschaften" entgegenwirken und sich um die Integration von Minderheiten bemühen.

 

Integration setzt nicht nur voraus, dass die religiös oder weltanschaulich geprägte Mehrheit jeweils anders geprägte Minderheiten nicht ausgrenzt; sie verlangt auch, dass diese sich selbst nicht abgrenzt und sich einem Dialog mit Andersdenkenden und Andersgläubigen nicht verschließt. Dies im Sinne gelebter Toleranz einzuüben und zu praktizieren, kann für den Landesgesetzgeber eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Schule sein.

 

Die Fähigkeit aller Schüler zu Toleranz und Dialog ist eine Grundvoraussetzung für die spätere Teilnahme nicht nur am demokratischen Willensbildungsprozess, sondern auch für ein gedeihliches Zusammenleben in wechselseitigem Respekt auch vor den Glaubensüberzeugungen und Weltanschauungen […].

 

"Der Ethikunterricht in seiner konkreten Ausgestaltung zielt […] auf die Ausbildung einer dialogischen Gesprächskultur, in der Konsens angestrebt und Dissens akzeptiert und ausgehalten wird […]. Dabei erfahren die Gesichtspunkte des Perspektivenwechsels, der unterschiedlichen Erfahrungswelten und der Empathie besondere Betonung […].

 

Angestrebt wird mithin, dass sich Schüler auch unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und Weltanschauung untereinander über Wertfragen austauschen. Angesichts dieser Unterrichtsziele durfte der Berliner Landesgesetzgeber im Ergebnis davon ausgehen, bei einer Separierung der Schüler nach der jeweiligen Glaubensrichtung und einem getrennt erteilten           Religionsunterricht sowie einer Aufspaltung der Unterrichtsgegenstände auf verschiedene andere Fächer oder der Möglichkeit der Abmeldung von einem Ethikunterricht könne den verfolgten Anliegen im Lande Berlin möglicherweise nicht in gleicher Weise Rechnung      getragen werden wie durch einen gemeinsamen Pflicht-Ethikunterricht." (1 BvR 2780/06)